Toter V-Mann in Schloß-Holte Stukenbrock aufgefunden!

Artikel aus dem „blick nach rechts“ von Andreas Speit

Der langjährige Rechtsextremist und Top-Spitzel Thomas R. ist plötzlich verstorben –  offen bleiben Fragen zu Kontakten zum NSU-Trio.

Der verstorbene Rechtsextremist Thomas R. galt als Topquelle des Verfassungsschutzes; Photo: J. Feldmann

Er galt als zuverlässig. Seine Informationen als zutreffend. Am Wochenende verdichteten sich die Hinweise, dass der langjährige Rechtsextremist und V-Mann Thomas R. tot sei. In der vergangen Woche soll das Bundesamt für Verfassungsschutz (BfV) das Parlamentarische Kontrollgremium des Bundestag über den Tod des Top-Spitzel unterreicht haben. Bereits im März sei R. in seiner Wohnung in der Nähe vom Schloss Holte-Stukenbrock an einer unerkannten Diabetes-Erkrankung verstorben. „Um die Jahre 2000 war er einer der führenden Kader in dem Spektrum der Freien Kameradschaften und dem ‚Blood & Honour’-Netzwerk“, sagt David Begrich vom Verein „Miteinander e.V“. Nicht ohne zu betonen, dass der V-Mann „viele Fragen zum NSU hätte wohl beantworten können“.

Seit den 1990er Jahren war R, den die Freien Kameradschaften „HJ Tommy“ nannten und der Verfassungsschutz „Corelli“, in der Szene aktiv. Auf einem Rechtsrock-Konzert in Dresden lernte er 1995 das spätere NSU-Mitglied Uwe Mundlos kennen. Mundlos hätte eine Kameradschaft in Jena gegründet, teilte der V-Mann dem BfV mit. In der Szene war R., der lange in Halle an der Saale lebte, damals auch schon eine Größe, war bei der „Blood&Honour“-Sektion in Sachen-Anhalt aktiv. Das Bundeskriminalamt (BKA) schätzte den umtriebigen V-Mann in einem internen Bericht als „Namengeber und Initiator“ des „Nationalen Widerstands Halle/Saale“ ein.

Magazin bedankt sich beim NSU

Der Kontakt zwischen R. und Mundlos scheint nachhaltig gewesen zu sein. Im persönlichen Kontaktverzeichnis von Mundlos, das Ermittler 1998 in einer Jenaer Garage beschlagnahmten aber nie auswerteten, fanden sich R.s Kontaktdaten. Der Spitzel gab zudem die Zeitung „Nationaler Beobachter“ heraus und betrieb mehre Szene-Internetprojekte. Auf einem der Portale befand sich das Szene-Magazin „Der Weisse Wolf“. Im Jahr 2002 erhielt das Blättchen von dem NSU-Trio Uwe Mundlos, Uwe Böhnhardt und Beate Zschäpe 2500 Euro. Das Magazin bedankte sich im Heft: „Vielen Dank an den NSU, es hat Früchte getragen.“

Alleine diese Nähe, sagt Begrich, werfe Fragen zu weiteren Kontakten zum NSU-Trio auf. „Und mindestens einen Stadtbesuch“, fügt er hinzu. Denn nach dem zufälligen Auffliegen des NSU-Trios war Zschäpe auf ihrer Flucht auch in Halle, hebt der Rechtsextremismus-Experte des Vereins für Demokratie und gegen Rechtsextremismus in Sachsen-Anhalt hervor. Wollte die heute Hauptangeklagte im NSU-Verfahren vor dem Oberlandesgericht München R. in Halle treffen, suchte sie Hilfe? Fragen die sich stellen und wohl unbeantwortet bleiben.

Von 1994 bis 2007 eine Topquelle des Verfassungsschutzes

Nach dem Auffliegen des NSU-Trios lud das BKA Thomas R. vor. Bei seiner Vernehmung 2012 blieb der Zeuge den Akten zufolge verschwiegen – log gar. „Zu diesen Typen“ hätte er keinerlei Kontakt gehabt, behauptete er und konnte nicht erklären, wie sein Name auf diese „Garagenliste“ gekommen sei. Ein Bericht des Sonderermittlers des NSU-Untersuchungsausschusses im Bundestag, Bernd von Heintschel-Heinegg,  offenbarte die Lüge. 2013 war R. beim BKA erneut wortkarg. „Ob ich Corelli bin, dazu möchte ich nichts sagen“, erklärte er knapp.

In den vergangenen Monaten  verkündete der Verfassungsschutz bisher, dass R. mit dem NSU nicht zu tun gehabt hätte. Er soll auch keine Berichte über das Trio geliefert haben. Das darf geglaubt werden, muss aber nicht. Denn „Corelli“ war von 1994 bis 2007 eine Topquelle des BfV. Nach Einschätzung von Bundestagsabgeordneten, die einen Teil der Corelli-Berichte einsehen konnten, basierten dessen Informationen durchwegs auf unmittelbarer Teilnahme an Treffen und Vorgängen. Das Bundesamt stufte R. auch amtsintern mit der höchsten Bewertungsstufe „B“ ein – das bedeutet, diese Quelle war verlässlich, die Person fest und vertrauensvoll in der Szene verankert. Dem BfV soll er Zugänge zu geschlossen Chat-Räumen der braunen Szene geliefert haben, wie auch Bilder. Intensiv dürfte R. zudem Informationen über „Blood&Honour“ und „Hammerskin Nation“ aus mehreren Bundesländern weiter gegeben haben.

Mit staatlichen Geldern die rechtsextreme Szene aufgebaut

Von 1998 bis 2002 berichtete R. über die deutsche Sektion des „Ku-Klux-Klan“ (KKK) in Baden-Württemberg, die Achim Sch. gegründet hatte. Auch er ein V-Mann, aber des Landesamtes für Verfassungsschutz, berichtete die  „Süddeutsche Zeitung“ im Februar vergangenen Jahres. Der Tageszeitung „taz“ zufolge war R. Anwerber für den KKK. In der Gruppe wirkten Polizeikollegen der vom NSU vermutlich getöteten Polizeibeamtin Michèle Kiesewetter mit.

Die Spitzelkarriere von R. begann früh. Schon vor 1994, so räumte das Innenministerium Sachen-Anhalt im März 2013 ein, wäre R. ein V-Mann des Verfassungsschutzes in Nordrhein-Westfallen gewesen. In dem Milieu gehörte er zu den Spitzel-Bestverdienern. Alleine das BfV soll an ihn insgesamt an die 180 000 Euro gezahlt haben. Das bisher höchste bekannt gewordene Honorar für einen V-Mann.

Nach seiner Enttarnung Ende 2012 lebte der jetzt im Alter von 39 Jahren Verstorbene im Zeugenschutzprogramm. Zog mit neuer Identität zurück nach Nordrhein-Westfallen. Eine Fremdeinwirkung die zum Tode von R. führte, schließen die Ermittler aus. Bei den Behörden, so fordert David Begrich, müsste aber auch die Rolle eines V-Mannes,  der mit staatlichen Geldern ausgestattet die rechtsextreme Szene nachweislich aufbaute, hinterfragt werden.